Deflation & Inflation: Ernstzunehmende Tücken für Verbraucher
Verbraucher schauen leider nur selten über den Tellerrand. Wer sein hart verdientes Geld auf einem Tagesgeld- oder Festgeldkonto, beziehungsweise einer anderen Anlagemöglichkeit anspart, schenkt dem Thema Deflation und Inflation selten Beachtung. Die meisten Menschen können mit diesen Begriffen nicht einmal etwas anfangen. Deshalb haben wir im Anschluss das Wichtigste zu diesem Thema zusammengetragen.
Vorwort und Überlegung
Regierungen und Notenbanken weltweit haben extreme Maßnahmen ergriffen, um die Kreditkrise 2008/2009 zu bekämpfen. Infolge des Lehman-Schocks, der Wirtschaftsaktivitäten in vielen Teilen der Welt kurzzeitig lähmte, haben alle Verbraucher der Welt gehofft, von einer zweiten Weltwirtschaftskrise verschont zu bleiben. Obwohl die erste Krise vorbei war, warnten Experten vor dem „Regen nach dem Monsun“, also den Spätfolgen und Nebenwirkungen.
Derweilen wappnet sich das Volk gegen die Kaufkraftminderung. Der Finanzmarkt spekuliert dagegen auf das genaue Gegenteil: Inflation. Niemand kann absehen, was genau kommen wird. Die Deutschen scheint es nicht zu stören, sie geben mehr Geld aus denn je, für Immobilien und für Gold. Der Run auf Häuser und Wohnungen sorgte in vielen Städten für steigende Preise, eine große Nachfrage und unzureichendes Angebot. Viele von den Käufern sind übereifrig, sie wollen ihr hart verdientes Geld schnell investieren, weil sie Angst haben, dass ihr Geld morgen nichts mehr wert ist.
Der Deutsche gehört ohnehin zum mutigen Volk. Während die Nachbarn mit steigender Arbeitslosigkeit, Rezessionen und ewigen Sparprogrammen kämpfen, spukt im Kopf des Deutschen erneut das Inflationsgespenst. Grund für die Sorgen sind die großen Währungsreformen des vorigen Jahrhunderts, die die meisten Bundesbürger noch nicht vergessen konnten. Zweimal gingen riesige Vermögen verloren, als die Hyperinflation der frühen 1920er Jahre teile des Mittelstands enteignete. Nach dem Zweiten Weltkrieg mussten die Deutschen bei null beginnen.
Inflation: Definition, Messung, Entstehung & Folgen
Als Inflation bezeichnet man den Anstieg des Preisniveaus einer Volkswirtschaft. Nun gibt es in jeder Volkswirtschaft nicht nur einen Preis eines einzelnen Gutes, sondern eine Vielzahl verschiedener Preise. Diese müssen sinnvoll zusammengefasst werden, um ihre Veränderung sinnvoll Messen zu können. Diese Messung erfolgt über Preisindizes, deren Warenkörbe zugrunde liegen. Warenkörbe sind das Ebenbild des durchschnittlichen Kaufverhaltens verschiedener Bevölkerungsgruppen. Aus allen Indizes kann man Preissteigerungsraten errechnen. Inflationsraten werden in der Regel jährlich veröffentlicht, in der Fachwelt sind aber auch monatliche Raten zu finden.
Entstehung
Wie eine Kaufkraftminderung genau entsteht, ist schwer zu sagen, da es mehrere Theorien gibt. Kurzfristige Inflationsschübe sind können durch einen starken Anstieg der Nachfrage entstehen, der sich nicht direkt mit einem Anstieg der angebotenen Gütermenge bedienen lässt („Demand Pull Inflation“). Es kann auch zu einem Anstieg der Produktionskosten kommen, wenn der Ölpreis erhöht wird. Bei entsprechender Nachfrage wird der erhöhte Ölpreis in die Absatzpreise eingebracht („Cost Push Inflation“).
Dem Grundgedanken monetärer Theorien zufolge entsteht eine Kaufkraftminderung immer dann, wenn die in einer Volkswirtschaft produzierten Güter und Dienstleistungen langsamer wachsen als das vorhandene Geld. Dabei muss man sich vor Augen halten, dass Geld keinen inneren Wert besitzt, sondern lediglich eine nominale Größe ist. Es wäre somit nutzlos, wenn man es nicht gegen Güter und Dienstleistungen tauschen könnte. Das Geld ist eine Erfindung, um sich umständliche Tauschgeschäfte zu ersparen, so wie sie vor Hunderten Jahren der Fall war. Angenommen über Nacht verdoppelt sich die Geldmenge bei unveränderter Gütermenge. Es sollte verständlich sein, dass in diesem Fall niemand doppelt so reich ist. Das Preisniveau ist lediglich auf das Doppelte angestiegen. Dies ist allerdings nur dann der Fall, wenn es keine Änderung der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes gibt.
Folgen
Ist die Inflation nun eine gute oder schlechte Sache oder sollte man ihr gar keine Beachtung schenken? Berechtigterweise werden hohe Inflationsraten gefürchtet. Die positiven Folgen einer Kaufkraftminderung sind jedoch selten bekannt.
Hohe beziehungsweise schwankende Inflationsraten sind aus dem Grund problematisch, weil sie die Planbarkeit erschweren. Das gilt für alle Unternehmen, die Investitionen vornehmen, sowie für Kreditgeber und Kreditnachfrager. Es ist verständlich, dass Kreditgeber, die sich in absehbarer Zeit vor hohen und nicht vorhersehbaren Inflationsraten fürchten müssen, höhere Renditen verlangen. Dies wiederum sorgt für erhöhte Kapitalkosten für Unternehmen, was sich wiederum negativ auf Investitionen und das Wirtschaftswachstum auswirken kann. Die Kaufkraftminderung ist somit ein Kettenauslöser, der nicht nur einzelne Personen oder Bereiche trifft, sondern die gesamte Volkswirtschaft.
Der positive Effekt der „Verteuerung“ besteht darin, dass er das Pendant, der „Sicherheitsabstand“, zur Deflation darstellt. Warum das so wichtig ist, erklären wir weiter unten.
Deflation: Deflationsspirale & Gefahren
Im Grunde ist Deflation nichts weiter als negative Inflation und beschreibt somit fallende Preise. Insbesondere auf dem Immobilienmarkt ist die Deflation häufig in Form von Preisblasen zu beobachten. Als Kettenreaktion kann sie fallende Preise auslösen. Diese könnten auf den ersten Blick als vorteilhaft bezeichnet werden, aus volkswirtschaftlicher Sicht ist eine solche Entwicklung aber höchst gefährlich, nämlich dann, wenn die Deflation über einen langen Zeitraum anhält und Deflationserwartungen erzeugt.
Eine Deflationserwartung löst wiederum Kaufzurückhaltung aus, sprich der Verbraucher denkt sich: „Morgen wird es wieder billiger“ und wartet mit dem Kauf ab. Die niedrige Nachfrage zwingt Produzenten, Produktion und Preise zu senken. Für die Volkswirtschaft bedeutet das insgesamt ein stagnierendes oder schrumpfendes Bruttosozialprodukt, welches im Vergleich zu einer steigenden Verschuldung steht. Diese Kettenreaktion lässt sich anhand der Deflationsspirale im Bild oben wunderbar erkennen.
Japan kämpft seit Anfang der 1990er Jahren mit einer herben Deflation. Nun möchten die Notenbanker im Land der aufgehenden Sonne langfristige Staatsanleihen kaufen. Mit diesem Schritt erhoffen sie sich, die Deflation zu bekämpfen.
Nun stellt man sich berechtigterweise die Frage, ob es eine „ideale“ Inflationsrate gibt, wenn man diese so bezeichnen kann. Ein Großteil der Zentralbanken verfolgen Inflationsziele: In der Eurozone und vielen anderen entwickelten Volkswirtschaften liegt diese bei zwei Prozent. Natürlich muss man auch hier bedenken, dass eine schwankende Kaufkraftminderung gefährlich ist. Warum strebt aber niemand ein Inflationsziel von null Prozent an? Ganz einfach, in diesem Fall würde die Gefahr entstehen, dass es zu negativen Inflationsraten kommt, die wiederum Deflationserwartungen erzeugen würden.
Wie sich Inflation und Deflation auf das Kapital auswirken
Anleihen
Anleihen leiden grundsätzlich unter der Kaufkraftminderung und können von Deflation profitieren. Von Bedeutung sind Bonität des Ausstellers sowie die Laufzeit der Anleihe. Papiere, die in naher Zukunft fällig sind, leiden weniger unter Inflation als solche, bei denen die Rückzahlung erst in einigen Jahren erfolgt. Die Möglichkeit, sich mithilfe von inflationsindexierten Staatsanleihen gegen eine mögliche Teuerung zu schützen, ist in Deutschland möglich. Die Absicherung gegen Inflation erfolgt, indem Rückzahlungsbetrag und Zinscoupons um die zwischenzeitliche Kaufkraftminderung hochgeschrieben werden. Der Erfolg ist nur dann sicher, wenn der Staat die Inflationsrate „korrekt“ ausweist und letzten Endes seine Schulden bedienen kann.
Aktien
Aktien sind langfristig gesehen vor einer Kaufkraftminderung weitestgehend sicher. In Phasen mittlerer Inflation konnten Aktien in der Vergangenheit gut abschneiden und andere Anlagen hinter sich lassen. Das hängt unmittelbar damit zusammen, dass sich die Wirtschaft selbst in solch schlechten Zeiten gut entwickelt hat. Bei hoher Inflation dagegen treten die Negativeffekte auf und Aktien verlieren stark an Wert. Auch in der Deflation leiden Aktien: Die Wirtschaft wächst nicht und dementsprechend niedrig sind die Gewinne der Unternehmen.
Rohstoffe
Den besten Inflationsschutz bietet der Rohstoff Gold. Wie auch bei Immobilien und Aktien gilt aber, dass der Inflationsschutz nur bei langen Perioden gegeben ist. Kurz- und mittelfristig können nominale und reale Verluste entstehen. Dennoch hat Gold einen besonderen Vorteil: Als Sachgeld schützt es nicht nur vor einer Kaufkraftminderung, es ist auch ein Ersatzgeld, welches vor Deflation bewahrt. Der Rohstoff ist somit die einzige der aufgeführten Anlageklassen, die in beiden Bereichen punkten kann. Der einzig nennenswerte Nachteil ist die eher schwache Wertentwicklung in harmonischen, ruhigen Zeiten. Hier können Anleger nicht auf große Ausschüttungen hoffen, dafür müssen sie sich aber auch nicht vor einer möglichen Deflation oder Kaufkraftminderung fürchten.
Immobilien
Immobilien, die sich als Kapitalanlage im Besitz eines Verbrauchers befinden, verhalten sich ähnlich wie Aktien. Der reale Wertverlust kann auf lange Sicht aufgeholt werden, wenn Zinsniveau und Kaufkraftminderung nachgeben. Kurzfristig dagegen sorgt das häufig gestiegene Zinsniveau der Inflationsphase für sinkende Preise bei Immobilien. In der Deflation sorgt die schlechte Wirtschaftslage für Sorgen beim Mieter. Er muss sich die Frage stellen, ob ein neuer Mieter dieselbe Miete zahlen möchte wie sein Vorgänger.
Artikelbild: © LiliGraphie / Shutterstock