Das Ertragswertverfahren
Ein Ertragswertverfahren ist eine Berechnung, die den Ertrag von gewerblich genutzten Immobilien oder Immobilien mit vermieteten Einheiten bestimmen soll. Hierbei werden die jährlichen Einnahmen und Ausgaben (Aktiva und Passiva) gegeneinander aufgerechnet, so dass am Ende eine klare Ziffer besagen kann, welchen Ertrag der Investor oder Eigentümer durch den Gebrauch einer Immobilie pro Jahr erwirtschaftet.
Bei den Immobilien kann es sich um klassische Gewerbeimmobilien handeln wie Gastronomiebetriebe oder Büroeinheiten oder um zu Wohnzwecken bewirtschaftete Wohnungen und Häuser oder auch um gemischt genutzte Grundstücke, die vermietet werden. Die Berechnung des Ertragswerts ist nicht einfach, da verschiedene Faktoren gegeneinander abgeglichen werden müssen, doch sie folgt einem allgemeinen Schema.
Hierbei gibt es gesetzliche Standards zur Berechnung zu beachten, die in der Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) geregelt sind. Für Investoren ist ein Ertragswertverfahren ganz besonders interessant, um im Voraus einzustufen, ob sich eine Geldanlage in ein Renditeobjekt lohnt und man das investierte Kapital durch die erwirtschaftete Rendite gleichsam verzinsen kann, etwa mit fünf Prozent, was als ein guter Satz gilt.
Aber auch für Eigentümer einer vermieteten Wohnung oder einer Gewerbeeinheit ist ein solches Kalkül wichtig, denn dadurch wird Klarheit in Bezug auf die zu erwartenden aktuellen Erträge gebracht – und es ist ein wichtiges Argument für den Verkauf.
Das Ertragswertverfahren trifft nicht nur auf „Gewerbeimmobilien“ (Hotels, Gastronomiebetriebe oder Tankstellen) zu, auch wenn es allgemein gern mit diesen gleichgesetzt wird. Auch normale Wohnimmobilien wie vermietete Wohnungen oder Häuser, die durch die Mieten Rendite erzielen, sind dem Ertragswertverfahren zugänglich. Die Gleichung „Ertragswertverfahren = Gewerbeimmobilie“ geht also nicht auf!
Für welche Immobilien wird ein Ertragswertverfahren angewendet?
Das Ertragswertverfahren kann auf viele Immobilien und Immobilientypen angewendet werden, die eine wirtschaftliche Verwertung finden, also „Geld verdienen“ durch eingehende Mieten. Eigens zu nennen sind folgende Immobilienarten, bei denen man den jährlichen Ertrag per Ertragswertverfahren festsetzt:
- Mietwohngrundstücke (Doppelhäuser, Doppelhaushälften, Mehrfamilienhäuser),
- Geschäftsgrundstücke (Bürohäuser und Geschäftshäuser, Einkaufszentren),
- Spezialimmobilien (Parkhäuser, Tankstellen, Hotels und Gastronomiebetriebe, Lagerräume, Logistikflächen),
- gemischt genutzte Grundstücke.
Bei allen genannten Immobilien kann und sollte das Ertragswertverfahren angewendet werden, um zu erkennen, welchen jährlichen Gebäudeertragswert bzw. Gebäudereinertrag man als Eigentümer oder Investor erwarten kann. Auch wer selbst Immobilien verkaufen will, ob als Makler oder Eigentümer, hat mit einem aktuellen Ertragswertverfahren gute Argumente in der Hand, denn durch diesen Nachweis kann er den zukünftigen Käufer von der Rentabilität der Geldanlage überzeugen.
Wichtig ist, dass eine solche Kalkulation aktuell ist, denn die Aktiva und Passiva (Mieten, Mieteinnahmen einerseits und Kosten und Abgaben andererseits) können im Lauf der Jahre stark variieren und nur ein zeitgenaues Gutachten kann Aufschluss über die reale Situation des Ertrags in der Gegenwart geben, da veraltete Informationen hier von Nachteil sind.
Findige Interessenten verlangen von sich aus oft ein Ertragswertverfahren, damit sie im Voraus berechnen können, ob sich eine Kapitalanlage lohnt, oder ob es bessere Objekte auf dem Markt gibt für Anlagezwecke. Außerdem ist eine Ertragswertkalkulation eine wichtige Voraussetzung für Finanzierungen, denn wenn das Eigenkapital zu gering ist, um die gesamte Investition in das Haus oder Grundstück zu begleichen, müssen finanzierte Immobilien durch ihren Ertragswert überzeugen.
Bei der Ermittlung des Immobilienwerts gelten allgemein – schon unabhängig vom Ertrag – die Faktoren Lage, Bodenwert, Immobilienart, Wohnfläche oder Nutzfläche in Quadratmetern, Ausstattung, Gebäudequalität, Baustoffe und Materialien, Energieverbrauch und viele andere. Bei Renditeobjekten kommt zusätzlich der Ertrag aus Miete oder Pacht hinzu, wird aber mit den Bewirtschaftungskosten gegengerechnet.
Standards und Richtwerte
Eine einfache Berechnung, gar nach dem Schema „Pi mal Daumen“, gilt hier nicht – etwas so Wichtiges wie ein Ertragswertverfahren wird in Deutschland standardisiert und nur innerhalb der geltenden Standards anerkannt. Wichtig ist die Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) und die ständig aktualisierten Wertermittlungsrichtlinien, die die Berechnung eines Ertragswertverfahrens genau regeln.
Hierbei gelten immer dieselben Regeln zur Gegenüberstellung von Aktiva (Mieten) und Passiva (Kosten), so dass das Verfahren selbst einfach nachzuvollziehen und leicht übertragbar ist auf mehrere Immobilientypen, sowie auch transparent, denn durch die Vereinheitlichung der Verfahren wird eine größtmögliche Überschaubarkeit der Ergebnisse und Vergleichbarkeit auf dem Markt garantiert.
Das Vergleichswertverfahren entscheidet über die Wertigkeit von Grund und Boden einerseits und den genutzten Flächen andererseits. Im Vergleichswertverfahren werden zunächst die Immobilie und der Grund, auf dem sie steht, hypothetisch getrennt. Zuerst wird der marktübliche Preis für Grundstücke in vergleichbarer Größe, Qualität und Lage berechnet, dann der Wert der vermieteten Wohnungen oder Gebäudeteile je nach Quadratmeter, Lage und Ausstattung.
Durch das Vergleichswertverfahren werden immer aktuelle Bezüge zu tatsächlich erzielten Verkaufspreisen in der Region hergestellt, so dass der Eigentümer – aber auch der potentielle Käufer – genau weiß, welchen Wert das Gebäude samt Grundstück hat und auch, ob sich die Investition, gerechnet am Preisniveau, überhaupt lohnt.
Das Vergleichswertverfahren ist immer am aktuellen Immobilienmarkt orientiert und insofern zeit- und ortsabhängig. Es gilt nicht, was vor zwanzig Jahren eine „gute Lage“ war – es gilt nur der aktuelle Mietspiegel. Insofern sollten Eigentümer wie Investoren hier hellhörig sein bei marktaktuellen Entwicklungen, wie sich Wohnlagen oder Gewerbegebiete über die Zeit dynamisch verändern.
Wann rechnet sich das Ertragswertverfahren?
Wenn man eine Immobilien-Investition plant, die zur wirtschaftlichen Nutzung führen soll, ist ein Ertragswertverfahren im Vorfeld immer geeignet, um den möglichen Ertrag zu berechnen und so auch zu wissen, ob sich die Anschaffung lohnt. Üblicherweise geht man davon aus, dass etwa bei einem Mietshaus der Ertragswert der jährlichen Mieten deutlich über den laufenden Kosten für die Instandhaltung und Bewirtschaftung des Hauses (Strom, Wasser, Gas, Elektro, Hausmeisterservice, Abfallentsorgung, ggf. Gärtnerservice, sowie Steuern und Abgaben) sowie ein mögliches Leerstandrisiko liegen muss.
Für Englisch Sprechende gibt es hier zwei zentrale Begriffe: „gross operating income“ und „net operating income“. Ersteres bedeutet die Summe der jährlichen Erträge durch Mieten oder Pachten und sonstige Einnahmen. Davon werden jedoch die schon genannten Kosten abgezogen, bis nur noch Letzteres übrigbleibt.
Wenn eine Immobilie von der Bank finanziert wird, wie das heute meistens der Fall ist, ist ein vorgängiges Ertragswertverfahren meist ein Standard und eine Pflicht, um überhaupt einen Kredit zu erhalten, denn auf der Basis dieser anerkannten Berechnung wird die Rentabilität eingestuft und entsprechend auch das entstehende unternehmerische Risiko des Kreditinstituts als Finanzierer. Beim Verkauf eines Renditeobjekts initiieren meist erfahrene Makler ein Ertragswertverfahren oder beauftragen einen Sachverständigen, damit der Wert der Immobilie auch in Gewinnhinsicht zwischen den Parteien transparent kommuniziert wird.
Für den privaten Kapitalanleger ist das Ertragswertverfahren zentral im Zusammenhang mit seinen vermieteten Wohnungen oder Häusern. Für den gewerblichen Anleger ist das Ertragswertverfahren in Bezug auf gewerblich genutzte Immobilien wie Hotels oder logistisch genutzte Flächen am wichtigsten. Die Berechnung selbst ist jedoch dieselbe unabhängig vom Immobilientyp.
Restnutzungsdauer und andere Faktoren
Bei der sogenannten Restnutzungsdauer handelt es sich um einen typischen Begriff aus der Betriebswirtschaftslehre, der besagt, wie lange eine Sache (ein Objekt) voraussichtlich nutzbar sein wird, also wirtschaftliche Erträge erbringt. Im Gegensatz zu der Nutzungsdauer im Allgemeinen, die jedes Objekt betreffen kann, ist bei der Restnutzungsdauer in Bezug auf Immobilien nur die tatsächliche wirtschaftliche und rechtliche Nutzungsdauer von Bedeutung.
Eine Beispielrechnung soll dies illustrieren: ein technischer Gegenstand, etwa eine Maschine, hat eine hypothetische Nutzungsdauer von fünf Jahren, bis er durch Abnutzung und Verschleiß unbrauchbar wird. Bei einem Haus, Grundstück oder einer Wohneinheit ist keine technische Nutzung vorgesehen, sondern nur das wirtschaftliche Interesse, Kosten abzuschreiben und Gewinne durch gute Rendite zu erzielen.
Insofern ist es für den Eigentümer oder Investor immer entscheidend, wie lange die Restnutzungsdauer überhaupt beträgt, also wieviel Zeit zur gewinnorientierten Bewirtschaftung noch übrigbleibt oder auch, wann er das Objekt gewinnbringend verkaufen könnte (Desinvestition). Es ist offenkundig, dass dieser Begriff beim Ertragswertverfahren eine große Rolle spielen muss und dass erfahrene Gutachter immer auch berücksichtigen, dass die Nutzungsdauer per se, und im Einzelfall, endlich ist.
Die Restnutzungsdauer ist gerade bei älteren Renditeimmobilien ein wichtiger Faktor. Hier kommen auch Kosten für eventuelle Renovierungen oder Sanierungen ins Spiel, die einen möglichen ökonomischen Gewinn oder auch Verkaufserlös erheblich schmälern können. Gerade im Vorfeld einer Veräußerung von Rendite-Bestandsimmobilien ist die Klarheit über Restnutzungsdauer und etwaige Sanierungen wichtig.
Vermietete Immobilie geerbt – was tun?
Deutschland ist ein Land der Erben – Fachexperten gehen von einem Volumen mehrerer Milliarden Euro aus, das jährlich vererbt wird. So gelangen viele Privatleute in den Genuss einer Bestandsimmobilie, und oft sind diese Bestandsimmobilien vermietet, etwa, wenn es sich um geerbte Mietwohnungen oder ein Mietshaus handelt, oder wenn der Großvater Giovannis Pizzeria einen Lagerraum verpachtet hat. Diese vermieteten Immobilien sind als Erbe interessant, da sie jährlich durch die Mieten Rendite einbringen und insofern ein passives Einkommen für den Erben garantieren.
Doch ganz so unkompliziert ist die Sachlage und Rechtslage leider nicht, denn zum einen kann der Umgang mit gewerblich genutzten Immobilien für den unerfahrenen Erben oder die Erbengemeinschaft sehr unvertraut sein und neue Kenntnisse erfordern, zum anderen gibt es manchmal Ärger mit Mietern, was die Freude am ererbten Eigentum schälern kann. Denn rechtlich gilt: Kauf oder Erbe bricht nicht Miete – wer ein vermietetes Objekt kauft oder erbt, muss im Regelfall auch die Mieter behalten.
Nicht immer ist ein solcher Übergang reibungslos, auch aus Sicht der neuen Eigentümer, und auch unabhängig von der emotionalen Situation im Hauswesen mag sich mancher frischgebackene Eigentümer denken, dass eine vermiete Immobilie nicht nur Gewinn, sondern auch viel Verantwortung mit sich bringt. Ein Tipp ist hier, sich rechtzeitig über das Ertragswertverfahren zur Berechnung der jährlichen Renditeerträge zu informieren und auf dieser Grundlage zu entscheiden, ob das Behalten der Immobilie rentabler ist als ein Verkauf.
Bei einem möglichen Verkauf sollte der Eigentümer oder die Eigentümergemeinschaft aber darauf achten, dass Wunschpreise selten auf dem Markt erzielt werden und der Verkaufserlös vom Verkäufer meist drastisch überschätzt wird. Erfahrene Makler warnen oft davor, dass gerade ältere Gebrauchsimmobilien – meist mit Sanierungsstau und geringer Restnutzungsdauer – keineswegs die hohen Verkaufserlöse versprechen, die man sich als Eigentümer wünscht.
Steuerfrei Renditeobjekte verkaufen? Das deutsche Gesetz besagt, dass dann zwischen dem Kauf und dem Verkauf einer Immobilie, die zu Renditezwecken genutzt wird, mindestens zehn Jahre oder mehr liegen müssen. Allerdings gilt das nicht, wenn eine Immobilie geerbt wurde, oder wenn sie vom Eigentümer partiell selbst bewohnt wurde. Im Zweifelsfall informiert hier der Notar oder Rechtsanwalt.
Zusammenfassung
Das Ertragswertverfahren ist eine mathematische Berechnung, aufgrund derer bei einem zu Ertragszwecken genutzten Haus oder Grundstück die jährlichen Einnahmen gegen die Ausgaben verrechnet und auf dieser Basis die Rentabilität des Objekts festgestellt wird. Das Ertragswertverfahren kann auf unterschiedliche Immobilientypen angewendet werden, die Rendite durch Mieten oder Pacht erzielen. Hierbei gibt es in Deutschland standardisierte Richtlinien, sowie standardisierte Vorgehensweisen, damit die Ergebnisse beim Ertragswertverfahren transparent und nachvollziehbar sind. Für Investoren, die den Kauf eines Mietshauses oder einer Gewerbefläche planen, ist ein vorgängiges professionelles Ertragswertverfahren eine wichtige Voraussetzung, um einzuschätzen, welche Belastungen, aber auch welche Erträge in Zukunft auf sie zukommen.